„Dynamische Symmetrie“ - Eine weiterführende Variante zum Bildaufbau

Pattebaer

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Nachdem wir uns ein wenig mit Farbenlehre beschäftigt haben kommen wir nun zu einem grundlegend neuen Thema für diesen Monat, der „dynamischen Symmetrie“.

Ich danke Volker (Gottwavo) sehr für diese Anregung und ich muss selber zugeben, dass ich bis dato noch nichts davon gehört oder gelesen hatte. Aber das Internet weiß alles. Und was das Internet dazu nicht weiß wird uns Volker im Anschluss erklären.

Ein Meister der dynamischen Symmetrie war Henri Cartier Bresson. Ob er einfach nur Talent hatte oder die dynamische Symmetrie verinnerlichte oder durch nachträgliche Bearbeitung und Bildbeschnitt dazu gekommen ist, ist weitgehend unbekannt. Auf jeden Fall sind seine Bilder spektakulär durch einen solchen Bildaufbau charakterisiert.

Die am meisten diskutierte und bekannte Regel beim Bildaufbau ist wohl der goldene Schnitt oder in vereinfachter Form die Drittelregel. Die dynamische Symmetrie geht nun viel weiter darüber hinaus und definiert zusätzlich verschiedene Diagonalen im Bild an denen man seine Komposition anlehnen kann um einen interessanten und fesselnden Bildaufbau zu bekommen. Diese Diagonalen lassen sich auch mit einfachen Mitteln auf einem Blatt Papier selbst erzeugen.

Nun möchte ich aber die Tasten an Volker übergeben, der uns auch mit einem Video die dynamische Symmetrie näher bringen und uns das Thema noch genauer erklären wird. Auch wie man zu den Hilfslinien kommt, welche diesen typischen Bildaufbau definieren.

Ich bin mir sicher, man kann bei diesem Projekt einen großen Schritt nach vorne mit seiner Fotografie tätigen.

Wie immer sind 5 Bilder pro Teilnehmer erlaubt. Es wäre schön, wenn ihr die Hilfslinien dem gezeigten Bild überlagern würdet.

Viel Spass und viel Erfolg.
 
Was zum Lesen:

Dynamische Symmetrie


Von Volker Gottwald

Eine Bemerkung zu Beginn: Ich bin nicht der Superexperte im Bereich der dynamischen Symmetrie. Ich habe zum ersten Mal im Februar 2018 davon gehört und versuche seitdem diese Methode für meine Fotos zu nutzen, um zu besseren Bildern zu kommen. Ich versuche die Methode zu verstehen, und weiß, dass der beste Weg, etwas zu verstehen, zu versuchen ist, es zu erklären. Deshalb erkläre ich es hier. Bisher habe ich dabei schon sehr viel gelernt. Wer zu dem Thema etwas weiß, sich damit beschäftigt hat und Ergänzungen dazu hat oder Fehler entdeckt, ist herzlich eingeladen hier einen Beitrag zu leisten.

Das Buch „THE ELEMENTS OF DYNAMIC SYMMETRY” von Jay Hambidge, das mir als wesentliche Quelle für mein bisher erworbenes Wissen dient, hatte eine Analyse der Bildgestaltung der alten Meister zum Ziel, um daraus ein Hilfsmittel für die Bildgestaltung der Künstler seiner Zeit zu entwickeln. Leider gibt es nur sehr wenig deutschsprachige Literatur zum Thema. Vielleicht ist das ein Grund, dass ich sie noch nicht kannte. Den Goldenen Schnitt habe ich schon in der Schule kennen gelernt, die Drittel-Regel, die ich immer als eine starke Vereinfachung des Goldenen Schnitts betrachtet habe, seit ich fotografiere. Dynamische Symmetrie war mir unbekannt.

Ausgehend von einer den Griechen in vorchristlicher Zeit schon bekannten Zahlenreihe bei der die nächstfolgende Zahl immer die Summe der beiden vorhergehenden Zahlen ist, hat Hambidge unter anderem das dynamische Gitter für Rechtecke abgeleitet. Diese Zahlenreihe wurde im zwölften Jahrhundert von Leonardo Fibonacci aufgegriffen und später nach ihm benannt. Die Fibonacci-Folge steht in einem unmittelbaren Zusammenhang zum Goldenen Schnitt. Je weiter man in der Folge fortschreitet, desto mehr nähert sich der Quotient aufeinanderfolgender Zahlen dem Verhältnis des Goldenen Schnitts von 1,618033 an.

Weiterlesen - mit Grafiken zur Erklärung - geht hier in der PDF-Datei:
http://www.kreartiv.com/dyngrid/dynamische_symmetrie_vg.pdf
 
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Was zum Arbeiten

Wie man die Gitternetze einfach selbst erstellen kann zeige ich in diesem Video:


Durch Klick auf das Wort "Vimeo" kann man das Video im Vollbildmodus anschauen.

Hier gibt es fertige Gitter für das Überblenden über eigene Fotos.
http://www.kreartiv.com/dyngrid/vg-dyn-grid.zip

Die Datei Herunterladen und Entpacken. Die Gitter gibt es für einige gängige Bildformate und die "Wurzel-Rechtecke".
Wer Photoshop oder ähnlich Programme nutzt, die mit Ebenen arbeiten, kommt sicher ohne Erklärung zu recht. Wenn nicht, bitte fragen. Wir helfen gern.
Mit Lightroom geht es auch. Da wird Pattebär eine kurze Anleitung beitragen.
 
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Auch ich möchte euch eine kleine Hilfestellung geben, wie man mit der dynamischen Symmetrie in der Postproduktion umgehen kann. Dazu habe ich euch das Grundmuster im Portrait und Landscape Format für die verschiedenen Bildgrößen 3:2, 4:3, 16:9 und 1:1 hier als Datei hinterlegt. Es handelt sich jeweils um ein Bild im PNG-Format, bei dem der gesamte Hintergrund transparent ist.

Hier gibt’s die Grids zum Download als ZIP-Datei

Niemand muss sie verwenden, ihr könnt euch zur Übung die Grids auch gerne selbst erstellen. Auch Volker hat solche Grids bereit gestellt.

Sofern man seine Nachbearbeitung mit einem Programm macht, welches layerbasiert arbeitet, so ist die Einbindung der Grids sehr einfach. Man lädt die entsprechende PNG-Datei auf einen neuen Layer, legt diesen über sein Bild. Passt die Größe an und schon ist man fertig. Das funktioniert wunderbar mit Photoshop, Affinity Foto und auch mit ON-1. Bei DXO habe ich es leider nicht geschafft das Grid als Overlay über das Bild zu legen. Die anderen Programme habe ich nicht.

Für Lightroom kann man das Grid ebenfalls verwenden. Hier muss man nur unter „Bearbeiten“ im Menü „Ansicht“ auf den Reiter „Lupenüberlagerung“ gehen. Dort findet man den Unterreiter „Layoutbild wählen“. Hier navigiert man zu der PNG-Datei und bindet diese ein. Alternativ funktioniert auf dem Mac auch das Tastaturkürzel „Alt+Shift+CMD+o“. Man kann nacheinander die Dateien im Portrait und Landscape Modus laden und hat dann im Menü „Ansicht -> Layoutüberlagerung -> Neue Layoutbilder“ die Möglichkeit zwischen den beiden Grid hin und her zu schalten. Über den Menüpunkt „Ansicht -> Layoutüberlagerung -> Einblenden“ kann man sich das Grid nun über sein Bild legen lassen. Alternativ hierzu geht beim Mac auch „Alt+CMD+o“ als Tastaturkürzel zum An- und Ausschalten des Grids. Unter Windows wird erfahrungsgemäß die CMD-Teste durch die CTRL-Taste ersetzt. Bitte einfach ausprobieren.
 
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Ein Beispiel

In einem kurzen Video zeige ich an zwei Fotos, warum Bilder, die dem dynamischen Gitter folgen gefallen.

Durch Klick auf das Wort "Vimeo" kann man das Video im Vollbildmodus anschauen.

Danke an Newbie und Horstnet, dass ich ihre Fotos dafür verwenden durfte.

Und jetzt viel Spaß bei der Gestaltung eurer Fotos und zeigt, was ihr könnt oder gelernt habt.
 
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Damit möchte ich Euch gleich mal ein Beispiel zeigen, dass man die Dynamische Symmetrie auch bei Personen anwenden kann. Zum Zeitpunkt der Aufnahme wusste ich allerdings nicht sehr viel davon, so dass man einiges hätte besser machen können.

Dynamische Symmetrie-02.jpg


Der Körper folgt der Hauptdiagonalen. Die Lage des Beckens folgt der zweiten Diagonalen, der rechte Fuß folgt der reziproken Diagonalen. Die Hand mit dem Zeigefinger liegt im Schnittpunkt der reziproken Diagonalen.

Was man deutlich hätte besser machen können: Das Gesicht liegt zwar in einem aufgespannten Bereich, jedoch hätte man darauf achten können, dass das Gesicht auf dem Schnittpunkt liegt und der Kopf der reziproken Diagonalen folgt. Ebenso hätte der linke Arm der fallenden reziproken Diagonale folgen sollen. Der linke Fuß hätte ein wenig gerade stehen können um der Vertikalen zu folgen.
 
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Übrigens: Neben den fünf Fotos, die jeder zeigen kann, kann man auch hier gerne zum Thema selbst diskutieren, auch wenn man selbst kein Foto dazu zeigt.
 
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Ich möchte euch ein weiteres Bild aus einem anderen Fototermin mit Laura zeigen.

Die Augen folgen der Hauptdiagonalen und das dem Betrachter nähere Auge liegt auf dem Schnittpunkt (leider nicht ganz die Pupille). Die Hutkrempe folgt ebenfalls der Diagonalen. Der Mund liegt auf dem Schnittpunkt von Horizontaler, Vertikaler und den Diagonalen. Die Nase folgt der rechten reziproken Diagonale. Das Gesicht liegt zwischen zwei reziproken Diagonalen.

720_3464-Grid.jpg


Und hier noch das fertige Bild ohne die Linien mit einer leichten Tönung..​

720_3464-Final.jpg
 
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Das Quadrat

Bisher vernachlässigt in der Betrachtung der Rechtecke ist das "√1-Rechteck", das Quadrat. Bei ihm sind die Diagonalen und die umgekehrten Diagonalen deckungsgleich. So ergeben sich nur vier symmetrische Flächen, die für eine Bildgestaltung wenig Anreize bieten. Dennoch ist das Quadrat sowohl in der Kunst als auch in der Fotografie mit Recht ein sehr beliebtes Format.

Das Quadrat bietet - wie alle anderen Rechtecke - auch die Möglichkeit das dynamische Gitter mehrfach einzufügen. So kann man das Quadrat ("√1-Rechteck") in zwei gleiche "√4-Rechtecke" mit dem Seitenverhältnis 1:2 aufteilen und dort das Dynamische Gitter einzeichnen. Das sieht dann so aus:

Quadrat_2.jpg


Als Beispiel hier zeige ich hier mal kein Foto, sondern ein Gemälde (Boreas entführt Oreithyia) von Peter Paul Rubens:

rubens-quadrat.jpg


Die geniale Anordnung, Aufteilung der Fläche und die Linien, die sich dadurch ergeben, ist leicht zu erkennen.
Man könnte es für seine eigenen Fotos nutzen.

Das Gitter zum Überlagern von eigenen Fotos gibt es hier als zip-Datei:
www.kreartiv.com/dyngrid/square_grid_2.zip

Natürlich kann man es auch je nach benötigter Komposition um 90 Grad drehen oder auch andere Teilungen des Quadrates nutzen.
 
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Noch zwei Buchtipps
  • The Elements of Dynamic Symmetry von Hambidge
  • Der Geheime Code von Priya Hemenway
beides im Buchhandel oder bei Amazon
 
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In diesem Bereich gibt es auch sehr viele Varianten, wie a-symmetrisch oder harmonische Symmetrie. Diese Variante "dynamische Symmetry" ist ja schon sehr anspruchsvoll und nicht einfach umzusetzen. Ich werde es versuchen. Ergeiz ist geweckt. ;)
 
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Ich werde es versuchen

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.......

Ich schaue gerade im Internet so viele Bilder an und versuche die Linien zu finden. Dabei stelle ich fest, dass nur sehr wenige Bilder diesen folgen und die meisten Fotografen nur auf 1/3tel Regel oder goldenen Schnitt achten. Wenn überhaupt. So sehe ich den Bildaufbau mal wieder mit anderen Augen und viel strenger. Aber ich stehe ganz am Anfang mit meinen Übungen.

Mitmachen wird sich lohnen, da bin ich überzeugt. Auch einfach mal seinen Fundus durchschauen. So mancher Bildbeschnitt oder eine Bilddrehung führt schon zu einem brauchbaren Ergebnis.
 
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Sehr spannendes Thema... Danke erstmal für die Mühe der Aufarbeitung. Die Videos sind auf den Punkt gebracht.
Zwar bevorzuge ich es, ein Bild mehr mit dem Herzen als dem Kopf zu machen aber eine Auseinandersetzung mit der Theorie kann niemals schaden. Um Regeln zu brechen, sollte man sie wenigstens kennen und vor allen Dingen verstehen.

Eine etwas unwissende Frage vielleicht von meiner Seite: Wie kann ich das dynamische Gitter in Lightroom verwenden? In den Vorgaben (Drittel, Goldener Schnitt etc.) ist es so nicht existent...
Sollte die Lösung trivial sein, bitte schonend formulieren :)

Viele Grüße
Robert
 
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Hallo Robert,
schau mal ein paar Beiträge weiter oben (Nummer #5) damit kannst Du die Gitter in Lightroom einblenden. Ich habe in dem Thread auch einen Link zu den Gittern, die ich selber erzeugt habe oder Du nutzt die Gitter von Volker. Das ist egal bei Lightroom. Nur wie Du das Gitter dann anschließend auf das Bild bekommst beim entwickeln, das weiß ich auch nicht.

Du hast natürlich recht, Regeln sind zum brechen da. Aber man sollte sie vorher halt mal ausprobieren bevor man sie bricht. Die dynamische Symmetrie geht halt weit über die Drittelregel oder den Goldenen Schnitt hinaus. Ich beobachte mich, dass ich gerade Bilder im Internet anschaue und gedanklich das Gitter darüber lege. Das eröffnet mir einfach eine neue Perspektive und ich versuche es mal in meinen neuen Bildern mehr darauf zu achten.
 
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Nur wie Du das Gitter dann anschließend auf das Bild bekommst beim entwickeln, das weiß ich auch nicht.
Zum nur zeigen hier im Forum reicht ja ein Screenshot vom Foto mit dem überlagerten Gitter, das braucht man ja nicht als jpg zu exportieren. Und Screenshots kann ja hoffentlich jeder hier? Bei Windows gibt es im Zubehör das Snipping-Tool, über den Klick auf das Windows-Symbol unten links und dann zum Buchstaben W. Bei Apple kenne ich mich nicht aus. Mit dem Snipping Tool - oder jeder anderen Software - kann man den Screenshot in die Zwischenablage kopieren und dann über "Einfügen" direkt in den Beitrag einkleben. Dazu braucht es also keinen extra jpg- Export.

upload_2018-4-2_8-42-16.png
 
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Volker, das Gute liegt so nah und manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Du hast ja so recht. Snipping Tool nutze ich fast jeden Tag im Büro und es kam mir nicht in den Sinn.

Apple hat auch so etwas an Bord, die Tastenkombination weiss ich nicht auswendig, aber das geht auch.

PS: Bildschirmfoto ist an Bord als Programm

CMD+Shift+3 macht Foto vom gesamten Bildschirm
CMD+Shift+4 macht Foto vom ausgewählten Bereich
CMD+Shift+5 macht Foto am aktuellen Fenster
 
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...
schau mal ein paar Beiträge weiter oben (Nummer #5) damit kannst Du die Gitter in Lightroom einblenden...Nur wie Du das Gitter dann anschließend auf das Bild bekommst beim entwickeln, das weiß ich auch nicht.

Wer lesen kann ist klar im Vorteil :rolleyes: Vielen Dank!
Allerdings weiß ich jetzt endlich, was ich bei gewünschten Produktverbesserungen für Lightroom bei den periodischen Nachfragen eintrage. Eine entsprechende Freistellungsüberlagerung, die sich mit skaliert :)

Viele Grüße
Robert
 
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Eine entsprechende Freistellungsüberlagerung, die sich mit skaliert
Das ist beim Dynamischen Gitter nicht vollständig möglich. Die Skalierung im gleichen Seitenverhältnis funktioniert noch. Die Skalierung in ein anderes dann nicht mehr, weil die rechten Winkel jetzt nicht mehr eingehalten werden und dann ist alles obsolet. Das macht die Nutzung auch nicht gerade einfach.
 
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