Projekt: Kirchen und Sakralbauten

Helmut Elicker

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Die Idee mit den Projekten in der Werkstatt finde ich gut. Die ist so gut, die könnte von mir stammen ... :lachen: :lachen: :lachen: Deshalb möchte ich auch ein Projekt beisteuern.


Wieso Kirchen?

In der Frühphase meiner Digitalfotografie kristallisierten sich zwei Fotobereiche heraus, an denen ich regelmässig und kontinuierlich gearbeitet habe: Viecher und Kirchen. Warum Kirchen? Kirchen sind immer und fast überall verfügbar und sie sind in unseren Breiten fast immer geöffnet. Sie haben ein Innen und ein Aussen, drinnen ist es trocken, fotografieren geht also auch bei Regen oder im Winter. Und: Ähnlich wie die Konzertfotografie Training auch für Nachbarbereiche beinhaltet, ist es auch bei der Kirchenfotografie. Wer Kirchen kann, kann auch andere Architektur, innen und aussen. Kirchen sind sehr unterschiedlich, es gibt unterschiedliche Stilrichtungen, die man sich erarbeiten kann. Es wird nie langweilig, auch wenn ich zum zehnten Mal in derselben Kirche war, habe ich neue Aspekte, neue Perspektiven, neue Sujets entdeckt. Ich liebe es, mit Zeitabständen wieder in eine Kirche zu gehen und, aufbauend auf den alten Erfahrungen, neu anzusetzen und nach neuen Aspekten zu forschen.

Bei beden Arten von Sujets, Tieren und Kirchen, habe ich es damals ähnlich gehandhabt: ich machte Fotos, fuhr nach Hause, habe sie bearbeitet und angeschaut. Oft haben sie mich nicht überzeugt, also fuhr ich ein paar Tage später wieder hin und habe versucht, es besser zu machen. Eine sukzessive Verbesserung war so nicht zu vermeiden (hoffe ich).

Zwei neue Schübe bekam die Geschichte, als wir vor zwei Jahren ein Forentreffen auf der Insel Mainau an einem Samstag hatten. Mit zwei Kollegen traf ich mich bereits am Freitag davor vor Ort, und wir machten einen Ausflug auf die Insel Reichenau, um dort romanische Kirchen zu fotografieren. Die Reichenau besitzt gleich derer drei, zwei haben wir geschafft, bevor es dunkel wurde (und wir Hunger und Durst hatten). Beide waren Juwele, mit stilbildend für den ganzen süddeutschen und elsässischen Raum.

Der zweite Schub setzte am folgenden Samstag auf, als einer der Teilnehmer seine nicht eben schlanke Figur auf mich zulenkte, mit ausgestrecktem Arm auf mich deutete und rief: "Dich möchte ich kennen lernen, Du kannst Kirchen fotografieren!" Das war Peter, wie sich herausstellte, wohnte er ca. 6 km Luftlinie von mir entfernt, und noch im gleichen Sommer haben wir neben einigen Kirchen im Badischen mit wachsender Begeisterung 18 romanische Kirchen im Elsass fotografiert ...

So, genug der einführenden Worte. Hier ein paar Bilder einer der oben erwähnten romanischen Kirchen auf der Reichenau, St. Georg.

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Wie fotografiert man die Kirche am besten? Sollen die Salatlinien diagonal oder orthogonal zur Kirche führen?


Wo sind die interessanten Kamerastandpunkte im Inneren der Kirche?

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Darf ein Bild stürzende Linien enthalten? Wenn ja, wie?

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Blick zurück

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St. Georg ist eine der wenigen romanischen Kirchen, in denen Fresken erhalten bzw. restauriert wurden. In romanischen Kirchen gab es vergleichsweise wenig sonstigen Kirchenschmuck.


Gruss
Suermel
 
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Bei Kirchen ist es wie mit der Konzertfotografie, man muss eine emotionale Zuwendung zum Thema haben, sonst wird das nichts. Es ist völlig egal, ob man von der religiösen, kunsthistorischen oder architektonischen Seite amfängt, sein Sujet zu erschliessen, münden muss es zwangsläufig in einer fotografischen Umsetzung, die möglichst den genius loci erfasst und umsetzt und dem Betrachter vermittelt. Es geht also nicht um ein hingehen, knipsen und weiter gehen. Der Fotograf braucht Zeit, damit er sich mit seinem Motiv auseinander setzen kann.

Wichtige Fragen:

- Was für ein Baustil liegt vor, was für Besonderheiten gerade bei diesem Objekt gibt es?
- Welche Perspektive, Brennweite, Blende sind geeignet, diese Besonderheiten herauszuarbeiten?
- Bin ich zur richtigen Jahreszeit, am richtigen Tag, zur richtigen Stunde hier? Passt das Licht? Muss ich später noch einmal wiederkommen?
- Welche sonstigen Störungen liegen vor?

Die erste Annäherung ans Motiv erfolgt zunächst von aussen. Meist ist der Baustil durch vorherige Recherchen bekannt, aber wie ist die konkrete Ausführung? Bereits die Analyse der Baustruktur von aussen zeigt, welche Teile dann von innen interessant sein können. Befinden wir uns beispielsweise in der Romanik, so sind auch die regionalen Unterschiede gross, je nachdem, in welcher Phase der Romanik wir uns befinden. Die Ausschmückung der Fassade gibt Auskunft, wie bedeutend die Kirche in der Zeit ihrer Erbauung war.

Schon von weitem strahlt die barocke Wallfahrtskirche Schönenberg

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So sieht ihre Fassade aus der Nähe aus

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Eine der schönsten romanischen Kirchen im Elsass ist Sts. Pierre et Paul in Rosheim.

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Der Blick von aussen erzählt: geostete Kirche, Langschiff mit Obergadenfenstern, zwei Seitenschiffen, Querschiffe mit Vierung, Vierungsturm, Chor und Nebenapsiden. Der Vierungsturm war mal abgebrannt und ist gotisch neu errichtet worden.


Gruss
Suermel
 
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Lieber Suermel,

zur Vorbereitung unseres Urlaubs möchte ich mich auf Innenansichten von Kirchen vorbereiten. Es ist so eine Eigenart von mir, im Urlaub in jede verfügbare Kirche zu schauen und dort auch eine Weile zu bleiben, so meine Familie mich lässt ;)

Es geht eine Woche nach Ravenna. Ravennas Kirchen sind frühchristlich (römisch und byzantinisch) geprägt und zum großen Teil UNESCO-Weltkulturerbe wegen der wunderbar erhaltenen Mosaiken.

Hast Du hier vielleicht im Rahmen des Projektes einen guten Tipp für mich, wie Innenansichten gut gelingen?

Sorge macht mir vor allem das Licht in Kombination mit den Mosaiken: San Marco in Venedig (byzantinisch) empfand ich als extrem dunkel, die Fenster waren damals eher klein angelegt. Die römischen Bauten mögen da anders sein, zumeist wurden ja bestehende Gebäude zu Kirchen umgewidmet und die Römer waren für lichtdurchflutete Anlagen zu haben. Ich weiß es nicht.

Meine Ausrüstung: D300S mit 18-200 VR II DX, sprich viel Rauschen bei hoher ISO.

Über einen Hinweis würde ich mich freuen.
 
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Gute Idee, wobei ich versuchen könnte amerikanische Kirchen von aussen darzustellen. Ich weiss zwar nicht, wie die Amis dazu stehen, wenn man in ihren Kirchenfotografiert und frage mich, ob ich eine Diskussion möchte. Was heisst wohl Nikonclub auf englisch:D?
 
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Ich weiss, diese Baustelle ist etwas ins Hintertreffen geraten. Ich werde mich ihr wieder stärker annehmen.

Es geht eine Woche nach Ravenna. Ravennas Kirchen sind frühchristlich (römisch und byzantinisch) geprägt und zum großen Teil UNESCO-Weltkulturerbe wegen der wunderbar erhaltenen Mosaiken.

Ui, San Vitale ist eines der Vorbilder für die Pfalzkapelle im Aachener Dom, die ja ebenfalls als Zentralbau konzipiert war. Klasse! Da freue ich mich jetzt schon auf die Bilder.

Der Pfalzkapelle in Aachen wiederum waren mehrere Kirchen in Europa nachempfunden. Die einzige, die überlebt hat, ist St. Peter und Paul in Ottmarsheim im Elsass, eine Abteikirche aus dem 11. Jahrhundert. Sie hat einen oktogonalen Grundriss und zitiert die Karlskirche (und damit San Vitale) natürlich mit angemessenem Abstand in Sachen Prunk.

Das Raumgefühl in Zentralbaukirchen ist gänzlich anders als in den bei uns meist üblichen basilikalen Kirchen. Die übliche Standortwahl wie sonst in ein- oder dreischiffigen Kirchen zieht hier weniger, man muss sich neue Standorte und Perspektiven suchen. Ein paar Bildchen kann ich ja mal zeigen:

Man sieht sehr schön den oktogonalen Mittelbau, den Tambour, die angebauten Seitenkapellen und den Turm, der der aus einer ursprünglich vorhandenen Vorhalle erwachsen ist.

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Zentralperspektive mit den beeindruckenden Säulengalerien. Das wird in San Vitale natürlich viel prunkvoller sein.

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Seitliche Perspektive

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Der Blick nach oben

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Fresken

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Gruss
Suermel
 
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Hallo Suermel,

danke für die schnelle Antwort und die Mühe, gleich die passenden Bilder einzustellen!

Dass San Vitale Vorbild für die Aachener Pfalzkapelle ist, wusste ich noch nicht. Es gibt eben keine Zufälle: Ich habe lange in Aachen gelebt und war sehr oft im Dom, ich kenne ihn gut. Das Gefühl in diesem Achteck ist schon etwas besonderes. Da ich das aber aus Aachen gut kenne, wird es mir in Ravenna sicher nicht ganz so neu und fremd vorkommen. Ich bin sehr gespannt.

Öffnungszeiten und Preise habe ich mittlerweile gefunden, aber nichts zum Thema Fotografie. Ich hoffe, das ist erlaubt, wenn ich auch nicht mit Stativmöglichkeiten rechne.
 
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Sorge macht mir vor allem das Licht in Kombination mit den Mosaiken: San Marco in Venedig (byzantinisch) empfand ich als extrem dunkel, die Fenster waren damals eher klein angelegt. Die römischen Bauten mögen da anders sein, zumeist wurden ja bestehende Gebäude zu Kirchen umgewidmet und die Römer waren für lichtdurchflutete Anlagen zu haben. Ich weiß es nicht.

Mit lichtdurchfluteten Räumen würde ich erst einmal nicht rechnen. Ich weiss jetzt nicht konkret, wie es in San Vitale sein wird. Aber meine Erfahrung ist, dass die Kirchen um so dunkler sind, je älter sie sind. Lichtdurchflutete hohe Räume mit grossen Fenstern wurden von der Statik her erst mit der Gotik möglich. Zum anderen waren Kirchen in der Zeit der Romanik und davor auch häufig letzte Rückzugsmöglichkeiten der Bevölkerung bei Angriffen, sodass sie gut zu verteidigen sein sollten. Je mehr Fenster und je grösser die waren, desto schwerer war das.

Meine Ausrüstung: D300S mit 18-200 VR II DX, sprich viel Rauschen bei hoher ISO.

Die Ausrüstung

Vielfach belegt ist der Grundsatz, dass ein guter Fotograf auch mit einer Ausrüstung, die nicht up to date ist, interessante und gut gestaltete Bilder fertigen kann. Ein schlechter Fotograf wird das mit der neuesten und teuersten Ausrüstung nicht fertig bringen.

Gleichwohl gibt es eine Reihe von Ausrüstungsgegenständen, die ansprechende Bilder erleichtern, gerade auch in der Kirchenfotografie.

Zunächst einmal müssen wir unterscheiden, ob die Aufnahme "aus der Hand" oder ab Stativ erfolgen soll oder darf. Wenn Stative erlaubt sind: unbedingt mit Stativ fotografieren! Wir arbeiten in Kirchen tendenziell mit langen Belichtungszeiten, so können wir hohe ISOs und Bildrauschen vermeiden. Zum "ordentlichen" Stativ gesellt sich ein Kugelkopf, der möglichst arca-swiss-kompatibel sein und über eine Friktionseinstellung verfügen sollte. Zur Spiegelvorauslösung gehört ein Fernauslöser, Kamerawinkel für den Formatwechsel und Wasserwaage erleichtern den Formatwechsel und die exakte Ausrichtung der Aufnahmeebene zum Objekt.

Tendenziell erleichtern Vollformatkameras bei weitwinkligen Aufnahme die Arbeit. Ab Stativ kommt man aber mit entsprechenden Brennweiten auch mit APS-C-Kameras zurecht. Ohne Stativ wird es mit APS-C-Kameras schwer, High-ISO-Aufnahmen mit ihren Folgen sind das Ergebnis.

Die Objektivwahl hängt vom Motiv, Perspektive und Bildgestaltung ab. Das Spektrum geht von starkem Weitwinkel für Übersichtsaufnahmen bis hin zum Tele bei Detailaufnahmen. Die Spezialobjektive sind den Allroundern naturgemäss überlegen. Die hochwertigen 2,8er Nikon-Zooms können generell empfohlen werden, besonders das 14-24, aber auch das 12-24/4-DX-Objektiv laufen hier zu ihrer Hochform auf. Sehr fein sind die PC-E-Objektive, über die aber wohl die Wenigsten verfügen können.

Konkret zu Deiner Ausrüstung: Mit der Kamera hast Du keine Probleme, solange Du ab Stativ fotografierst. Mit dem Objektiv wirst Du gestalterisch an Grenzen stossen, da die Weitwinkelbrennweiten nach unten fehlen. Abgesehen davon ist es ein Allrounder, der natürlich den Spezialobjektiven nicht das Wasser reichen kann. Rechnet man das auf vollformatäquivalente Brennweite um, fotografierst Du am unteren Ende mit einem Bildausschnitt, der bei Vollformat einem Bildausschnitt bei 27 mm entsprechen würde. Zwischen 14 und 27 mm liegen Welten. Die fehlende Weitwinkeligkeit verführt dann gerne dazu, aus der Not heraus stürzende Linien zu produzieren nach dem Motto: entweder ein Foto mit stürzenden Linien oder gar keines.

Bei so einem Motiv wie San Vitale würde ich über eine Ausrüstungsergänzung nachdenken.

Gruss
Suermel
 
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Bin gerade gestern zufällig über diese Fotoreportage im www gestolpert.
Da wird behauptet, das Mausoleo di Galla Placidia in Ravenna wäre das einzige gebäude, wo Blitzlichtfotografie verboten wäre,
während "fast überall sonst, sogar in den Kirchen" das " Fotografieren, auch mit Blitz erlaubt" sei.
Allerdings bin auch ich der Meinung, dass Du da unbedingt ein Weitwinkelobjektiv brauchst, um richtig Spaß zu haben.
 
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Gut, dass es die Projekte gibt :)

Ich habe den Nachmittag u.a. damit verbracht, mir fotografisch noch ein paar Übungen auf die Agenda zu schreiben. Wer weiß, wann ich jemals wieder nach Ravenna kommen werde?

Und heute abend muss ich nochmal genau nachforschen, welche Objektive wir im Haus haben, die mir womöglich weiterhelfen können.
 
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Gute Nachrichten: wir haben einen Plan. Und meine Ausrüstung hat sich soeben schlagartig verbessert, woran Suermel keineswegs unschuldig ist, hat er doch sehr gute und hier im Haushalt sofort einleuchtende Argumente für ein Upgrade geliefert.

Wir werden uns die Kirchen in Ravenna im Rahmen der üblichen Sehenswürdigkeiten-Schau mit allen Kindern ansehen. Dabei kann ich dann schon ganz gut ausloten, was ich wann wie und von wo fotografieren will.

Und dann wird es einen Tag geben, an dem ich mit der (vom persönlichen Haus- und Hoffotografen ausgeliehenen) D3S, dem 16-35 und dem 80-200er losziehen werde - ganz alleine, was für ein Luxus im Familienurlaub!

Stativ gibt es auch, es ist ein Slik SL88N mit Kugelkopf von Sirui und arca-swiss kompatiblem Schnellspannsystem. Das hat sich für die D3S mit dem 80-200er bewährt.

Alles wird gut - jetzt muss nur doch die Frau hinter der Kamera mitspielen :).
 
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Hallo Helmut,
ich habe mir Deine Bilder genau angeschaut und was ich interessant finde ist, dass Du auf der Reichenau genau die gleichen Perspektiven ( Standpunkte ) gewählt hast wie ich. :eek:

Was ich nun aber bei Dir genauso empfinde wie bei mir ist, dass ich, wenn ich bei Dir auf #3 schaue, das Gefühl habe, dass diese Perspektive in einer Kirche innen einerseits nicht so doll ist. Wahrscheinlich liegt das an meinem ausgeprägten Hang zur Symmetrie, aber eben nicht nur. Denn eine Kirche hat innen doch immer mindestens eine Symmetrieachse und die - finde ich - gehört einfach aufs Bild drauf, so, wie Du es in Post #5 sehr schön zeigst. Gleichwohl aber sieht man dort in Bild #4 sehr schön, dass die Ausrichtung der Bänke zu einer Achse und das Vorhandensein mehrerer Symmetrieachsen im Raum zu einem spannenden Bildaufbau führen kann, wenn man dies nutzt.

Also ... Kirche innen, das ist nicht immer so einfach, wie es aussieht. Aus diesem Grunde finde ich es sehr gut, dass Du dieses Thema hier als Projekt vorstellst. Sollte man eigentlich mal als Thema für ein UT nehmen ...

Viele Grüße
Rainer
 
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... , dass ich, wenn ich bei Dir auf #3 schaue, das Gefühl habe, dass diese Perspektive in einer Kirche innen einerseits nicht so doll ist. Wahrscheinlich liegt das an meinem ausgeprägten Hang zur Symmetrie, aber eben nicht nur. Denn eine Kirche hat innen doch immer mindestens eine Symmetrieachse und die - finde ich - gehört einfach aufs Bild drauf, so, wie Du es in Post #5 sehr schön zeigst. Gleichwohl aber sieht man dort in Bild #4 sehr schön, dass die Ausrichtung der Bänke zu einer Achse und das Vorhandensein mehrerer Symmetrieachsen im Raum zu einem spannenden Bildaufbau führen kann, wenn man dies nutzt.

Hallo Rainer,

schön, dass Du Dich mit dem Bildaufbau auseinander setzt und die symmetrische Zentralperpsektive und den seitlichen Standpunkt thematisierst. Zu den Variationsmöglichkeiten käme ja noch: Hoch- oder Querformat, Kamerahöhe, gekippt oder ungekippt, Brennweite, ... .

Sicherlich wohnt uns allen ein Symmetriebedürfnis inne, das wir gerne, wenn sich die Gelegenheit bietet, befriedigen. Sowohl als Betrachter als auch als Fotograf. Also ist die "Zentralsichtweise" immer im Angebot. Sie entspricht auch unserem ersten Seheindruck, wenn wir in eine Kirche kommen. Die basilikalen Kirchen sind alle ähnlich aufgebaut, wenn wir durch den Haupteingang kommen, treffen wir so gut wie immer auf einen mittigen Gang, wir haben eine dominante Achse bis zum Chor, häufig steht dort die Hauptsache, der Altar mit einem Jesus am Kreuz. Diese Seherfahrung machen wir immer wieder, wir sind davon geprägt und suchen bei neuen Objekten immer nach ihr. Das ist ja generell auch für die Fotografie nicht verkehrt, solange exakt fotografiert wird.

Nun habe ich im letzten Jahr während vier oder fünf Monaten allein im Elsass in 18 romanischen Kirchen fotografiert. Selbstverständlich wurde in so gut wie jeder aus der "Zentralperspektive" aufgenommen. Das halte ich auch für wichtig, denn im Konzert mit anderen Perspektiven geben diese Aufnahmen einen wichtigen Eindruck der jeweiligen Kirche wieder. Aber man sucht doch auch nach weiteren Möglichkeiten, so ein Kleinod darzustellen. Der Drang zur Symmetrie, zur Ausgeglichenheit, kann und darf auch schon mal überwunden werden, um nicht langweilig zu werden und, wenn weitere Gestaltungsinteressen als eben die Symmetrie zu bedienen sind. Das ist durchaus öfter mal der Fall.

Als Beispiel möchte ich mal die romanische Kirche in Sigolsheim anführen, die ich kürzlich zusammen mit Peter und Fiete fotografiert habe. Traditionell nimmt diese Kirche schon seit vielen Jahren am "Chemin d'Art Sacré" im Elsass teil, sodass zusätzlich zu den üblichen Fluchten im Kirchenschiff aus Bänken, der Galerie, den Fenstern und den Deckenstrukturen auch noch die präsentierten Bilder kommen. Die Zentralperspektive gibt hier einen schönen Überblick über das Langhaus bis zu Altar Chor und zeigt auch, dass die Kirche dreischiffig ist. Sehr schön wird sichtbar, dass die Kirche auch als Galerie dient und wie die ausgestellten Bilder mit den Kirchenfenstern harmonieren.

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Gleichwohl beeindruckt mich auch der seitliche Blick ins Haus, denn hier finde ich andere Schwerpunkte. Im Vordergrund steht hier natürlich nicht die Symmetrie. Es entstehen aufstrebende Linien, die Dynamik ins Geschehen bringen. Die linke Galerie wird betont, das Bild rechts wird aus der Menge der gezeigten Bilder hervorgehoben.

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Im Duett mit dem ersten Bild möchte ich diese Aufnahme nicht missen.

Die seitliche Perspektive geht mit einer Verzeichnung der Deckenstrukturen einher. Wie Peter kürzlich feststellen musste, passt das nicht immer, sein Bild des Chors war zu stark von eben diesen Deckenstrukturen dominiert. Das passte nicht so ganz zu unseren Sehgewohnheiten, wir empfinden das gerne mal als Störung, wie Anja richtig bemerkt hat. Insofern ist eine ökonomische Betrachtungsweise angebracht: der Vorteil, den wir durch die seitliche Perspektive erhalten, muss die damit eingehandelten Nachteile übertreffen (hiermit habe ich die Neue Politische Ökonomie der Fotografie begründet). Dann macht es Sinn.

In meinem Plädoyer für den seitlichen Standpunkt möchte ich gerne noch ein Bildchen zeigen, das ebenfalls von der Reichenau stammt. Auch hier wird wieder auf die Dynamik gesetzt, Symmetrie verlieren wir gar nicht, weil im Seitenschiff keine da ist. (Fast) nur Vorteile, ökonomisch betrachtet: ideal.

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Also ... Kirche innen, das ist nicht immer so einfach, wie es aussieht.

Wenn es einfach wäre, könnte es jeder.

Gruss
Suermel
 
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Hallo Helmut,
vielen Dank für Deine Ausführungen, die mir gerade sehr weiterhelfen.

Ja, das mit den Sehgewohnheiten stimmt schon, das haben wir alle irgendwie in uns drin. Gleichwohl heisst fotografieren aber auch, ab und zu die ausgetretenen Pfade zu verlassen und neues zu probieren, sprich eine neue Perspektive zu finden und damit die alten Pfade zu verlassen. Speziell Architekturfotografie fordert einen geradezu heraus, genau das zu tun.

Bisher habe ich alle meine nicht zentralen Kirchenbilder alle gelöscht, wie ich feststellen musste. Vielleicht kommt es auch darauf an, wie ich den Fluchtpunkt setze. Und unter diesem Aspekt muss ich wohl nochmal die eine oder andere Kirche aufsuchen ... und vor allem muss ich mich diesem Thema noch stärker auch in theoretischer Hinsicht widmen.
 
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Kathedrale von York (GB)

Hier zwei Bilder Yorker Kathedrale. Stürzende Linien würden per EBV (PSE) aufgerichtet.



 
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Christ Episcopal Curch New Bern, NC

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Fotografieren ohne Blitz erlaubt. Aber da wir aus der Schweiz waren, mussten wir smalltalken, auch interessant, aber...
 
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